Mit moderner Technik gegen das Aussterben von Sprachen

Zahlreiche Sprachen sind vom Aussterben bedroht. Mittlerweile gib es einige Ideen und technische Hilfsmittel, die mit moderner Technik das Aussterben von Sprachen verhindern wollen. Der Bremer Student Bonaventure Dossou hat beispielsweise eine Übersetzungs-App für Regionalsprachen entwickelt. Begonnen hat das Projekt mit Dossous Muttersprache Fon, die er selbst jedoch kaum spricht.

Über 2.000 Sprachen auf dem afrikanischen Kontinent

Auf dem afrikanischen Kontinent werden 2.000 Sprachen gesprochen, doch der Google-Übersetzer hat davon nur 15 integriert. Viele Webseiten sind auch in afrikanischen Ländern auf Englisch und Französisch, was die indigenen Sprachen weiter zurückdrängt. Ist eine Sprache im Internet nicht sichtbar, wird sie weiter verdrängt.

Allein in Nigeria werden 515 Sprachen gesprochen und auch in Kamerun, der Demokratischen Republik Kongo oder Tansania sprechen die Menschen weit über 100 Sprachen. Damit ist Afrika ein Kontinent mit großer Sprachenvielfalt. Doch in vielen afrikanischen Ländern sind die Sprachen der früheren Kolonialherren wie Französisch oder Englisch noch immer weit verbreitet und oft Amtssprache.

Fon gehört zu den 50 Sprachen und Dialekten, die in Benin gesprochen werden. Nur 8,8 Prozent der Bevölkerung sprachen Französisch, dennoch ist die Sprache der ehemaligen Kolonialherren weiter Amtssprache in dem westafrikanischen Land. Als Dossou in Benin zur Schule ging, wurde die Verwendung von Fon bestraft. Gemeinsam mit einem Freund hat Dossou nun eine App entwickelt, die Fon ins Französische übersetzt.

App-Projekt in Mexiko

Dossou ist nicht der Einzige, der mit moderner Technik Sprachen vor dem Aussterben retten will. In Mexiko arbeiten laut der Tageszeitung „La Jornada“ Studenten der Autonomen Universität Chapingo an einer App, die indigene Sprachen in Mexiko mit moderner Technik vor dem Aussterben retten soll. Seit einigen Jahren arbeiteten die Studenten an der App „Miyotl“, die bald für 15 indigene Sprachen zum Download zur Verfügung stehen soll und später auf 68 Sprachen anwachsen soll. In Mexiko sprechen noch über sieben Millionen Menschen eine indigene Sprache, allerdings sinkt auch hier die Zahl der indigenen Bevölkerung. Damit gehen auch die Sprachen nach und nach verloren.

Alle zwei Wochen stirbt eine Sprache

Laut der deutschen Unesco-Kommission geht alle zwei Wochen irgendwo auf der Welt eine Sprache verloren. Eine Studie der Universität Amsterdam geht davon aus, dass die Hälfte der etwa 6.7000 Sprachen vom Aussterben bedroht sind. Vor allem für kleine Sprechergemeinschaften ist es schwer, ihre Sprache zu erhalten. Für viele Sprachen gibt es weder eine einheitliche, festgelegt Schrift noch eine Grammatik. Unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen ist es für viele Eltern verlockend, ihren Kindern eher eine größere Sprache beizubringen, damit sie später in Schule und Beruf bessere Chancen haben.

Vor allem auf dem afrikanischen Kontinent ist die Situation komplex. Wirft man einen Blick auf die Landkarte Afrikas, so hat man das Gefühl, jemand hätte einfach mit dem Lineal Striche gezogen, die Ländergrenzen darstellen sollen. Dies ist nicht ganz falsch. Zur Kolonialzeit wurden künstliche Grenzen auf dem Kontinent gezogen, die zur Folge hatten, dass sprachliche und kulturelle Gemeinschaften getrennt wurden.

Auf dem Gebiet eines Staates lebten nun Menschen mit ganz unterschiedlichen Muttersprachen. Daher wurden die ehemaligen Kolonialsprachen oftmals als Verkehrssprache, also als überregionale Sprache zur Kommunikation, beibehalten. Zudem sah man in den Sprachen der ehemaligen Kolonialherren ein Mittel, die unterschiedlichen Sprachgemeinschaften zu integrieren und Einheit zu schaffen, obwohl diese Sprachen über Jahrhunderte mit Schmerz und Spaltung verbunden waren.

Nur selten lokale Sprache Amtssprache

Nur wenige Länder auf dem afrikanischen Kontinent entschieden sich dafür, eine lokale Sprache zur Amtssprache zu machen. In Ruanda ist Kinyarwanda Amtssprache und in Lesotho die Sprache Sotho. In Tansania wurde Kisuaheli zur Amtssprache. Kisuaheli ist in vielen afrikanischen Ländern eine wichtige Verkehrssprache und im Osten Afrikas die am weitesten verbreitete Sprache.

In Tansania wird aber weiterhin auch Englisch gesprochen. Viele Menschen sprechen Englisch, Kisuaheli und die Sprache ihres Dorfes. Mehrsprachigkeit ist daher vollkommen normal. In Grundschulen wird Kisuaheli unterrichtet, an weiterführenden Schulen und Universitäten ist Englisch die Unterrichtssprache. Wer also kein Englisch spricht, hat kaum Chancen auf eine gute Bildung und einen guten Job. Dies betrifft oft Kinder aus ärmeren Bevölkerungsgruppen und ländlichen Gegenden. In Tansania gibt es daher seit einiger Zeit eine Diskussion über die Bedeutung der englischen Sprache.

Muttersprache steht für kulturelle Vielfalt und Identität

Harrison Mwilima, der Berlin-Korrespondent der Kisuaheli-Redaktion der DW, vertritt in einem Beitrag zum Tag der Muttersprache für die Deutsche Welle die Auffassung, Regierungen in Afrika sollten sicherstellen, dass die Menschen effektiv in ihren eigenen Sprachen kommunizieren können und auch in ihrer Muttersprache Bildung erlangen können. Dies würde auch dazu beitragen, die besondere afrikanische Identität zu erhalten bzw. wieder zur erreichen, denn Sprache ist nicht nur ein Werkzeug zur Kommunikation, sondern auch ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur und Identität. Denkbar ist, dass auch in Zukunft Projekte mit dem Einsatz moderner Technik gegen das Aussterben von Sprachen helfen können.

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Internationaler Tag der Muttersprache 2021

Seit dem Jahr 2000 gibt es den Internationalen Tag der Muttersprache der UNESCO. Dieser Tag soll an die Förderung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt und der Mehrsprachigkeit erinnern und findet jedes Jahr am 21. Februar statt. Zudem wird auf bedrohte Sprachen aufmerksam gemacht. In Deutschland wird in diesem Jahr auch auf Romanes, die Sprache der Sinti und Roma, hingewiesen.

Über 50 Prozent aller Sprachen vom Aussterben bedroht

Die UNESCO betont dabei, dass über die Hälfte der in aller Welt gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht sind. Damit will die UNESCO ein Zeichen setzen, dass mit Sprachen mit Blick auf die kulturelle Identität gefördert werden sollten. Der zweite Aspekt dieses Gedenktages ist das Fremdsprachenlernen und Mehrsprachigkeit, was ein wichtiger Beitrag zu gegenseitigem Verständnis und Respekt ist.

Daher weist die UNESCO jedes Jahr auch auf sogenannte Minderheitensprachen hin, die oft von weniger als 10.000 Menschen gesprochen werden. In Deutschland hören beispielsweise Saterfriesisch, Niedersorbisch und Romanes zu den Minderheitensprachen. Saterfriesisch wird in der Nähe von Oldenburg noch von etwa 1.500 bis 2.500 Menschen gesprochen und Niedersorbisch wird in der Niederlausitz in Brandenburg von rund 7.000 Menschen gesprochen.

Diese Sprachen werden oft nicht mehr an Kinder weitergegeben und verlieren so nach und nach weiter an Bedeutung. Sterben die letzten Sprecher, geraten diese Sprachen oft ganz in Vergessenheit. Einige Sprachen, die nur von wenigen Menschen gesprochen werden, sind noch nicht einmal dokumentiert.

Zu den Sprachen, die Jahr für Jahr in Vergessenheit geraten oder vom Aussterben bedroht sind, gehören längst nicht nur die Sprachen indigener Völker, sondern auch europäische Sprachen. Ein Beispiel ist Sami. Sami wird im Norden Skandinaviens und in Teilen Russlands gesprochen und ist die Sprache einer dortigen Minderheit. Eine interessante Übersicht zu bedrohten Sprachen war zum Internationalen Tag der Muttersprache 2021 auch auf Zeit Online zu finden.

Ursprung in Pakistan

Der Tag der Muttersprache hat seinen Ursprung in Pakistan. Dort beschloss die damalige Regierung 1952, dass Urdu die alleinige Amtssprache werden sollte. Urdu wurde zu diesem Zeitpunkt nur von drei Prozent der Menschen als Muttersprache gesprochen. Die Menschen in Ostpakistan sprachen nur Bengalisch. In der Folge gab es Proteste, bei denen am 21. Februar 1952 mehrere Menschen starben. Später spaltete sich Ostpakistan vom Rest des Landes ab und der Staat Bangladesch entstand. Dort ist seit Anfang der 1970er Jahr der 21. Februar der „Tag der Märtyrer“, bzw. der Tag der Muttersprache, ein nationaler Feiertag. 1999 stellte Bangladesch dann einen Antrag bei der UNESCO, die den Tag zum Internationalen Tag der Muttersprache erklärte.

PEN hebt Romanes hervor

Die Autorenvereinigung PEN weist in diesem Jahr anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache besonders auf Romanes, die Sprache der Sinti und Roma, hin. PEN will damit auch auf ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in Deutschland aufmerksam manchen. Laut dem UNESCO-Atlas der bedrohten Sprachen wird Romanes als bedroht eingestuft. Sinti und Roma werden in Deutschland seit 1998 gesetzlich als nationale Minderheit anerkannt. In Deutschland leben etwa 70.000 bis 150.000 Sinti und Roma.

Wie viele Sinti und Roma genau in Deutschland leben, ist nur schwer zu sagen und historisch problematisch. Im Nationalsozialismus wurde durch die rassenhygienische Forschungsstelle eine Zählung vorgenommen, auf deren Grundlage die Deportation und der Völkermord an den Sinti und Roma (Porajmos) durchgeführt wurde. Dem Völkermord an den Sinti und Roma fielen mindestens eine halbe Million Menschen zum Opfer.

Sinti, die größte Gruppe der Roma, leben schon seit über 600 Jahren in Deutschland. Ihre Muttersprache ist Romanes, die indogermanische Wurzeln hat und nur mündlich überliefert ist. Eine einheitliche Schriftsprache gibt es bisher nicht. Im Nationalsozialismus wurde in vielen Familien kein Romanes gesprochen. Seit den 1980er Jahren gibt es einige Vereine, die die Sprache wieder pflegen und Kindern vermitteln. Auch im RomArchive, dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, werden Sprache und Kultur der Sinti und Roma gepflegt.

Wertschätzung von ganz unterschiedlichen Muttersprachen geht damit auch mit Völkerverständnis und Respekt gegenüber anderen Kulturen einher.

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